Restaurierung der Schablonenmalerei im Blauen Zimmer der Villa Seidl Ismaning

Gemeinde Ismaning
2011
Restaurierung
Herausforderung
Konservierung, Restaurierung und Rekonstruktion der Schablonenmalerei
Herausforderung

Im Jahr 2010 erhielten wir den wunderschönen Auftrag, das Anwesen Villa Seidl in Ismaning und insbesondere das dort befindliche Blaue Zimmer zu restaurieren, das sich durch eine außergewöhnliche, aufwendige Imitation einer Damasttapete auszeichnet. In enger Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege wurde das Restaurierungskonzept, das auch die Rekonstruktion in Totalverlustzonen beinhaltete, erarbeitet und individuell auf die Erfordernisse abgestimmt.

Die Villa Seidl in Ismaning – Eine kurze Beschreibung

Die Villa Seidl wurde um die Jahrhundertwende erbaut und befindet sich auf dem Seidl-Mühle-Anwesen in Ismaning. Das ursprüngliche Domizil der Familie Seidl wurde im Jahre 2003 von der Gemeinde Ismaning erworben und durch einen u-förmigen Anbau erweitert, welcher als Kulturzentrum genutzt wird. Das so genannte Blaue Zimmer befindet sich im ersten Stock und entging im Gegensatz zu anderen Räumen mehrmaligen Renovierungen. Auf diese Weise zeigt das Zimmer in seinem Erscheinungsbild einen vollständig erhaltenen Zustand des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, zu dem nicht nur die Raumabfassung, sondern auch die Tür- und Fensterbestände, der Fußboden und sogar die gut erhaltene Lichtanlage gehört.

Das Blaue Zimmer – Die Fassungen

Die Farbfassung aus Leimfarbe, eine Schablonenmalerei in Palmettenornamentik, stammt aus dem 19. Jahrhundert. Die Wände des Blauen Zimmers wurden Ultramarinblau grundiert. Dabei wurde der Grundton umlaufend in drei Zonen gegliedert, und im oberen und unteren Bereich ein dunkleres, im mittleren ein helleres Ultramarin verwendet, um den Glanz ähnlich einer Damasttapete zu imitieren. Auf dieser Grundierung befindet sich eine sehr schöne Schablonenmalerei, die als Rapport ausgeführt wurde. Um die Dreidimensionalität einer Damasttapete nachzuahmen, die dem Zimmer sein charakteristisches Erscheinungsbild verleiht, wurden im nächsten Arbeitsgang mithilfe einer zweiten Schablone im mittleren, helleren Bereich Schatten an den Konturen und im dunkleren Bereich an den entgegengesetzten Konturen Lichter gesetzt.

Die weiße Deckenfassung des Blauen Zimmers ist durch ein umlaufendes Deckenband eingerahmt. Auf dunklem Hintergrund ist hier ein kannelierter Stab abgebildet, der von Akanthus-Blattwerk mit Blüten umrankt wird. Diese mehrschlägige Schablonenmalerei stellt eine sehr anspruchsvolle, kunsthandwerklich hervorragend ausgeführte Arbeit dar.

Ein Blick in das Zimmer vor Beginn der Maßnahmen

Die Schablonenmalerei wurde als Leimfarbfassung ausgeführt, und die Malschicht neigte teilweise zu starker Abkreidung und Abpuderung. Die Wände waren durch eine ausgeprägte Oberflächenverschmutzung gekennzeichnet und von Staub und Spinnweben bedeckt. Schäden wie Risse, Kratzer, Eisenteile wie Nägel und Abrieb der Malschichtoberflächen vermutlich durch Einrichtungsgegenstände waren an jeder Wandfläche zu finden. An der westlichen Außenwand wies der Sockelbereich unterhalb des Fensters und an der Balkontür erhebliche Wasserschäden auf.
An einzelnen Wandflächen des Zimmers waren vor allem im Sockelbereich Verputzungen zu verzeichnen.
Der Deckenbereich war von einer ausgeprägten Krakelee-Rissbildung durchzogen und zeigte in einzelnen Zonen ebenfalls Fleckenbildungen durch Feuchtigkeitseinwirkung.

Lösung

Reinigung, Festigung, Restaurierung und Rekonstruktion

Alle Flächen des Zimmers wurden trocken gereinigt. Um eine gleichmäßige Reinigung zu gewährleisten, wurden alle Flächen mit weichem Haarpinsel entstaubt und gelöste Verschmutzungen sofort mittels Staubsaugern aufgenommen. Punktuell erfolgte eine Reinigung mit weichen Latexschwämmen, wobei darauf geachtet wurde, dass die Reinigung mit gleichbleibendem, nur leichten Druck erfolgte, um ein Durchreiben der Oberflächen auszuschließen. Ziel war das Herstellen gleichmäßig gereinigter Oberflächen ohne Beeinträchtigung der abkreidenden historischen Schablonenmalerei.
Anschließend wurden pudernde Farbfassungen an Decken und Wänden des Zimmers im Sprühverfahren gefestigt.
Risse wurden leicht konisch geöffnet und zusammen mit Ausbrüchen und anderen Oberflächenschäden mit reinem Kalk-Sandmörtel randgenau geschlossen. War entlang der Risse der Putzaufbau gestört, wurde der Verband wiederhergestellt, wobei die Konservierung der Ablösung im Zuge der Kittung erfolgte.
Der Wasserschaden an der Westwand machte einen Austausch von mauersalzbelastetem, geschädigten Sockelputz notwendig. Nach Abnahme der mürben Altputze wurden die freigelegten Mauerwerksoberflächen gereinigt und versalzte Mauerwerksfugen ausgekratzt. Die mehrlagige Neuputzfläche bestand ebenfalls aus reinem Kalk-Sandmörtel. Ausformung und Oberflächenbeschaffenheit der Deckschicht orientierten sich am Bestand.
Als Vorbereitung für die Schablonenmalerei wurde die Rapportabfolge festgelegt und Schlagschablonen erstellt. Nach vorhergehenden Ausführungsproben und Musterflächen wurde in Schadensbereichen der jeweilige Grundton angelegt und die Palmettenornamentik in Nachempfindung des Bestandsduktus schabloniert.
Fehlstellen, Ausbrüche und andere Oberflächenschäden der bestehenden Schablonenmalerei an Wand- und Deckenflächen des Blauen Zimmers wurden mittels Leimfarbe und Pigmenten retuschiert.

Dokumentation

Alle ausgeführten Maßnahmen und Arbeitsgänge wurden von einer sorgfältigen Dokumentation begleitet.
Der Zustand vor Beginn der Maßnahmen, alle ausgeführten Arbeiten mit Materialien und Techniken, alle gewonnenen Erkenntnisse sowie der Zustand nach Abschluss des Projektes wurden ausführlich festgehalten, in Wort und Bild in einer Dokumentation ausgearbeitet, ersichtlich gemacht und archiviert.

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